Fragen der Würde

Zwei Bücher, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Brigitte PonsDie Würde der Toten und Edda Mincks Idioten auf zwei Pfoten. Und doch haben sie mindestens drei Dinge gemeinsam: Beiden Büchern konnte ich nur über ihre Autorinnen begegnen, beide Bücher haben mich ausgesprochen gut unterhalten und beide Male geht es um Würde. Wenngleich auch um die ganz verschiedener ‚Würdenträger‘ …

Auch, wenn bei Brigitte Pons die Toten auf dem Cover als eben jene ausgewiesen werden, sie allein sind es nicht, um die es geht. Denn der Thanatopraktikerin Henry, die man verkürzt als Goth mit echter Berufung bezeichnen könnte, ist der Tod wichtig, weil nur durch seine Akzeptanz das Leben zum echten Geschenk wird – und Würde ist bei ihr etwas, das allem innewohnen sollte. Ihre zweite Hauptfigur Adrian dagegen, ein Polizist, den der Tod seiner ungeliebt-liebesunfähigen Mutter in das Beerdigungsinstitut treibt, in dem Henry arbeitet, scheint im Vergleich zu solch klaren Werten (und Wertschätzungen) eher verloren. Und doch braucht es ihn, um den cleveren Kriminalplot (inklusive erzwungener Mehrfachnutzung von Särgen oder Maskierung von Toten & Todesursachen mit thanatopraktischen Methoden) aufzuklären. Wer weiß, ob es Henry ganz alleine, nur bewaffnet mit Mut & den technischen Rafinessen eines Freundes, gelungen wäre, aus dem Sumpf des Verbrechens zu entkommen, in den sie durch ihren Arbeitgeber gezogen wird. Aber das ist nur gerecht so, denn ganz offensichtlich braucht Adrian umgekehrt sie und die Zwangskonfrontation mit Tod und Sterben, um sich dem Leben wirklich zuzuwenden. Insofern ist das Buch schon mehr als ein gut gemachter Kriminalroman, der hauptsächlich durch die beiden Hauptfiguren, die ihre Autorin sowohl rund als auch kantig geschaffen hat, besticht. Daran ändern auch die Perspektivbrüche am Anfang nichts, die ein sorgfältigeres Lektorat nicht hätte übersehen dürfen – aber was ist schon perfekt auf diesem Planeten, außer meinen eigenen, dummerweise zumeist unerreichbaren Ansprüchen? Ich bin jedenfalls allemal gespannt auf das nächste Buch von Brigitte Pons (das ich dann auch ohne ihre Hilfe finden werde. Hier brauchte ich diese, weil man halt nicht an jeder Ecke über die Bücher des Prolibris-Verlages stolpert). 🙂

Mopstagebücher, was für ein verlockender Gedanke. Vor allem, wenn man – wie ich – nicht nur Virginia Woolfs Flush kennt, sondern überdies Edda Minck und ihrem Mops Herrn Schröder schon persönlich begegnen durfte. Und was für ein Glück für den Rest der Welt, dass eben jener Mops, der eigentlich ein portugiesischer Mopskönig der Straße ist, in Edda Minck eine Madame mit der seltenen Fähigkeit besitzt, im Sinne eines so großherzigen und edlen Wesens wie Schrödis zu schreiben …! Auf den ersten Blick kommt das Buch so treuherzig daher wie ein Mops, der etwas ausgefressen hat oder, im Gegenteil, etwas vom Tisch des Herrchens, des vermeintlichen, abhaben möchte. Allein das pinkfarbene Cover (natürlich der Grund, warum diese Buch nur durch die Hände von Edda Minck selbst in meinen landen konnte – nie hätte ich ein Cover dieses Farbtons in einer Buchhandlung auch nur angerührt! ;-)) und dann der ganz besondere, sich als leicht und ironisch tarnende Ton …! Das erinnert manchmal an eine andere Grand Dame der Literatur, und so frage ich mich unwillkürlich, was wäre wohl, wenn sich Jane Austen bei Emma eine Hündin (oder eine Katze?) statt einer menschlichen Frau als Protagonistin gesucht hätte? Ähnlichkeiten sind jedenfalls nicht zu verhehlen, was die Strategie angeht, dem Protagonisten und Ich-Erzähler eine gewisse Überheblichkeit zu verleihen und zugleich dem Leser die Chance zu geben, eine Mopsnasenspitze weiter schauen zu können als dieser: man ahnt, was dieser noch nicht kommen sehen möchte – aber worauf es am Ende hinaus läuft, darauf kommt man so leicht nicht. Ergo wird man als Leser ebenso wie Herr Schröder elegant an der Sprachleine hinters Licht geführt, um unterhaltsam und überraschend zu der einen oder anderen Selbsterkenntnis zu gelangen. Das ist ja auch so ein Ding mit der Komik: Sie ist häufig der Zucker, den es braucht, gewisse, sonst bittere Geistespillen zu schlucken …

Jedenfalls, ich hatte gleich zweifach meinen Spaß und mehr als das.

P.S.: Ganz wunderbarer Nebeneffekt der Mopstagebücher: die eingestreuten Pessoa-Zitate!

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