Gleich vorweg: Ich verstehe immer noch nicht allzu viel von Opern. Pelléas et Méllisande, Debussys Lyrisches Drama in fünf Akten, das ich mir am Donnerstag mit einer Freundin im Aalto Theater in Essen ansah und -hörte, war womöglich die zehnte, vielleicht auch die zwölfte Oper meines Lebens. Aber was genau haben wir da gehört und gesehen?
Der Stoff ist märchenhaft und stellt mich eher auf Dramaturgie und erzählerische Logik schauendes Wesen vor die Aufgabe, das Rationale mal für drei Stunde ganz sein zu lassen. Debussys Musik an sich ist wunderschön, sehr fein gestaltet, klingt oftmals im Orchester wie eine Vorwegnahme späterer Filmmusik. Doch was ich generell an Opern nicht verstehe: Wie kann es sein, dass sich in manchen Passagen Gesang und Instrumente zu einem berührend, großen Ganzen verbinden und dann wieder klingt es, als würde der Text bloß gesungen, weil man das eben in einer Oper so macht? Immer wieder fehlte mir das Zusammenspiel, da schiene es sinnvoller, den Text zu sprechen oder eben alles zu Gänze durchzukomponieren (so wie ich es z.B. bei Mozart oder auch Beethoven wahrgenommen habe). Genau – in diesen eigenartigen Passagen kommt es mir so vor, als stünde ich vor einem Gemälde, das teils fertig, teils noch reiner Anriss ist – und zwar nicht etwa, weil das so gewollt wäre, sondern weil der Künstler anscheinend keine Lust hatte, alle Teile mit derselben Sorgfalt gleich weit auszuführen.
Hier in Essen hakte es dazu noch teils gewaltig in der Inszenierung. Bestimmt fünf Mal gerieten die Umbauten so lang, dass die Musik verklang und man das Saallicht reinzog – so dass das Publikum auf einen nicht perfekten Schleier vor einem ebenso unperfekten, langweiligen Vorhang starrte. Wieso riss man uns aus der Musik und der Atmosphäre? War Raimund Bauers glanzvoll-schlichtes Bühnenbild aus riesigen Holzvertäfelungen und Treppenelementen zu groß, zu unhandlich? Oder hatte die Technik nicht genug Zeit, die Abläufe wirklich zu lernen? Warum mussten die Herren die weiten Hosen ihrer an sich beeindruckenden Roben raffen – was reichlich albern wirkte, wenn z.B. Golaud mit gezücktem Schwert Mélissande nachsetzt, aber eben anders nicht unfallfrei die Treppen hinaufkommt? Hätte man das nicht in der ersten Probe mit Kostüm (Andrea Schmidt-Futterer) sehen müssen und dann ganz leicht korrigieren können? Was sind schon zwei oder drei Zentimeter gekürzte Hosenbeine gegen das Einstudieren einer dreistündigen Oper? Und was sollte das Getue mit Mélissandes Haaren – sowohl der Sängerin, die ganz offensichtlich noch nie selbst langes Haar hatte als auch der Regie (Nikolaus Lehnhoff), der sie dann in einer Szene sinnfrei verdoppelt auftreten lässt (sozusagen als doppeltes Rapunzel)?
So viel Arbeit steckt doch hinter eine solchen Oper. So viele Menschen haben mitgewirkt. Und dann wird an Kleinigkeiten geschlampt. Schade. Das hätte nicht im Detail so haarig werden müssen. Da wäre mehr drin gewesen.
Jedenfalls für mich Opernanfängerin. Bin gespannt, ob ich je so ganz rausfinden werde, was die Oper zur Oper macht und worin ganz genau die Kunst für die Liebhaber des Genres liegt …
P.S.: Ich hätte gerne mehr über die Sänger geschrieben. Stimmlich waren sie alle wunderbar anzuhören, und Pelléas spielte obendrein noch überraschend gut für einen Opernsänger. Schade nur, dass man im Internet nicht herauskriegen kann, welche Besetzung man bei einer bereits vergangen Vorstellung gesehen und gehört hat …