Ente bittersüß

Ob man ‚danach‘ als Engel mit Flügeln auf einer Wolke sitzt und auf die Erde hinabschaut? Oder landet man gar irgendwo tief unten, wo man gegart und süßsauer zubereitet wird? Was sich Enten alles erzählen, meint der Tod (Tobias Roth) und lächelt verlegen. Was danach kommt, weiß er auch nicht. Und was davor ist, vom Leben, davon erzählt ihm die Ente (Anna Döing) in Nora Dirisamers Stück Ente, Tod und Tulpe (nach dem Buch von Wolf Erlbruch), das gestern in der Box, der kleinsten Bühne des Schauspiels Essen, Premiere hatte.

Mit wenigen Mitteln hat Janine Hoffmann (Bühne und Kostüm) hier einen Rahmen geschaffen, in der die Geschichte vom Leben und Sterben – das doch zusammengehört, wie der Tod am Beispiel der Tulpe erklärt, die im Winter eine Knolle tief unter der Erde ist, im Frühjahr sprießt und blüht und dann verwelkt – poetisch schön, mal komisch, mal traurig, aber immer auch kindgerecht, erzählt wird: Der Ententeich ist eine Badewanne, der Musiker (Tobias Sykora) trägt Tang und Krabbe zum schwarzen Cut, und der Tod einen nachtblauen Mantel mit bunten Knöpfen und regenbogenfarben gewürfelter Tasche, aus der er die Tulpe – die Lieblingsblume der Ente – zieht.

Kaum zu glauben, was Regisseurin Anne Spaeter in einer knappen Stunde an Einfällen unterbringt. Das Gründeln in der unergründlich-unerschöpflichen Badewanne, der Film oder vielmehr die Filme des Lebens der Ente, und erst recht all die kleinen und großen Schritte, die Ente und Tod aufeinander zu machen. Das Anbalzen (die Ente hatte nämlich noch nie einen Erpel), der Schwimmunterricht für den wasserscheuen Tod, das gegenseitige Wärmen in der Nacht. Und am Ende, wenn das Unvermeidliche geschehen ist und der Tod allein auf der Bühne zurück bleibt, hier die Badematte der Ente gerade aufhängt, dort an ihrem Handtuch zupft um schließlich als Nichtesser den letzten, von ihr ergründelten Wurm zu verspeisen, da wird es plötzlich greifbar, wie bittersüß schön und traurig zugleich es ist, dass Leben und Tod zusammengehören, weil ersteres eben Veränderung ist und letzterer die letzte.

Keine Ahnung, wie sich all das für die kleinen Menschen ab 4 Jahren anfühlt, für die das Stück gedacht ist. Mir scheint, die Inszenierung ist gekonnt darauf angelegt, dass jeder sich das rauspicken kann, was für ihn passt – oder was eben grad dran ist, denn das ist bei Kindern oft noch verschiedener als bei Erwachsenen.

Ich hab jedenfalls lachen müssen und auch weinen. Was selten passiert, und sich noch seltener so richtig, so bittersüß passend anfühlt.

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