Geht ja nicht an, dass ich mich hier nur noch über philosophische Fragen verbreite und darüber die Bücher vergesse. Vor allem, wo ich den Sommer über so manches Buch gelesen habe – wenngleich nicht jedes davon wirklich und wahrhaftig bis zur letzten Seite: Feuertaufe von Markus Stromiedel, Eine verlässliche Frau von Robert Goolrick, Aevar Örn Jósepssons Dunkle Seelen, Kathryn Fox‘ Skin and Bone, Edward St Aubyns On the Edge sowie Patricia Cornwells Book of the Dead und Louise Pennys Und die Furcht gebiert den Zorn. Ach ja, und dann war da noch Jon Ronsons The Psychopath Test …
Fangen wir mit den schlechten Nachrichten an: Es fällt mir schwer zu sagen, ob Stromriedels sogenannter Politthriller oder St Aubyns Prosagebrabbel das schlimmere Buch war. Einen Politthriller mit rein erfundenen Politikern ohne den Hauch einer Ähnlichkeit zu realen gestalten zu wollen, finde ich an sich schon seltsam. Das dann auch noch in einer angeblich nahen Zukunft anzusiedeln, in der Deutschland nach irgendwelchen unaussprechlichen Terroranschlägen (vermutlich dem Inhalt von Band 1) zu seinem eigenen düsteren Zerrbild geworden ist, hat mein Interesse nicht wecken können. Dass darüber hinaus der Autor wild darauf zu sein scheint, ein Buch zu schreiben, in dem es rein gar keine Atmosphäre gibt und nichts, aber rein gar nichts jenseits der eigentlichen Ermittlungen im allerengsten Sinne geschieht, die jedoch von einer überwältigenden Unzahl von Menschen geführt werden, so dass ich mich hoffnungslos im Namensgewirr verirre – also, all das hätte mich wahrscheinlich auch dann gelangweilt, wenn es nicht obendrein noch sprachlich einfallslos wäre. So gab ich den Leseversuch aus S. 119 von 491 auf.
Bei St Aubyns On the Edge kann ich nicht einmal mehr sagen, wie weit ich mit dem Lesen gekommen bin. Sicher ist jedoch, dass es eines der langweiligsten Bücher war, die ich je zu lesen versucht habe. Und warum der Autor sich überhaupt die Mühe gemacht hat, einen Haufen bornierter Idioten mit Hang zur Esoterik als eine Art Reigen auf- und abtreten zu lassen, wenn nicht mal er selbst sich für diese seine Figuren interessiert, wird mir ewig ein Rätsel bleiben.
Josepssons Dunkle Seelen habe ich zumindest bis zur letzten Seite teils quergelesen, teils durchgeblättert, was jedoch hauptsächlich der Tatsache geschuldet war, dass ich mich nicht erinnern kann, je bewusst einen isländischen Krimi gelesen zu haben und mich Island an sich reizt. Dass mich die Namen in diesem Buch verwirren, dafür kann der Autor wahrlich nichts. Dass er seine Figuren jedoch in eine letztlich banale und nur aufgebauschte Geschichte verstrickt, kann er kaum jemand anders anlasten. Damit das wenigstens vorübergehend spannend wird, wechselt er alle naslang die Perspektive (jeder Ermittler hat eine eigene, das Opfer und so mancher Verdächtige noch dazu) und ergeht sich in Andeutungen und Geheimniskrämereien, die letztlich aus der untersten Trickkiste stammen und nichts als nerven. Manche Kapitel scheinen überhaupt nur daraus zu bestehen, dass die Ermittler mehr oder minder langweiligen Aufgaben nachgehen, bis sie versehentlich über eine Erkenntnis stolpern – die jedoch im Zweifelsfall frühestens im nächsten oder übernächsten Kapitel auch dem geneigten Leser mitgeteilt wird. Ich muss zugeben, von einem Kriminalroman aus dem Land der Leser und Dichter hatte ich mir mehr erwartet.
Eine verlässliche Frau von Robert Goolrick ist streckenweise sprachlich berückend schön, kippt aber leider viel zu häufig ins Kitschige, um überzeugend zu sein. Das unglaubwürdige Ende ist auf eigenartige Weise schon viel zu früh klar, so dass es nicht einmal mehr durch einen Überraschungs- oder gar Aha-Effekt gerettet würde. Und Sätze wie „Solche Dinge geschehen“ werden auch nicht besser, wenn man sie, angesichts an den Haaren herbeigezogener Ereignisse, wieder und wieder und wieder wiederholt … Sowas nervt irgendwann nur noch. Schade.
Kathryn Fox‘ Skin and Bone war da schon eine angenehme Überraschung. Ein eher klassisch gebauter Polizeikrimi mit Thrillerelementen, einem clever gebauten Plot und interessanten Charakteren, die nur gelegentlich etwas „drüber“ erscheinen. Insgesamt spannender und garantiert nicht langweiliger Lesestoff, so dass ich nicht traurig wäre, irgendwann ein weiteres Mal über diese Autorin und ihre Protagonistin Kate Farer zu stolpern.
Von Patricia Cornwell habe ich schon so manches gelesen, und so war ich erstaunt, als ich Book of the Dead aufschlug und feststellte, dieser Scarpetta-Roman ist im Präsens geschrieben. Dass es sich dabei dann noch um eine eher brutale Serienkillergeschichte handelt, sämtliche Figuren jedoch reich und schön sind, sofern sie keine bösen Nebenfiguren sind, das nervt. Die spannendste Frage an dem Buch war, wieso ich es – wenngleich teils ganze Kapitel mehr überblätternd denn lesend – nicht vorzeitig aus der Hand legte.
Auf dem Klappentext wird Louise Penny als „kanadische Elisabeth George“ gepriesen, was nach der Lektüre von Und die Furcht gebiert Zorn höchstens dem Titel geschuldet sein kann. Ein frankokanadischer Dorfkrimi mit Weihnachtsflair, überzeichneten Figuren und ausgeprägtem Hang zur plakativen Idylle – also, das hat eher was von einer Kreuzung von Agatha Christie und Elisabeth George weichgespült zum behaglichen Cozy. Aber wer sowas mag und auf kanadische Winteratmosphäre steht, wird es vermutlich lieben.
Eines der unterhaltsamsten Bücher des Sommers war die Zufallsentdeckung The Psychopath Test von Jon Ronson, das ich wohl nie gelesen hätte, hätten sie auf der Fähre von England nicht diesen unwiderstehlichen „3 for 2“-Deal gehabt. Ein Sachbuch mit dem Untertitel A Journey through the Madness Industry kann vermutlich nur dann informativ und komisch sein, wenn es von einem Engländer geschrieben wird – aber dieser hier hat zuvor The Men Who Stare at Goats verfasst …! Von daher will ich gar nicht zu viel verraten, aber wer sich ein bisschen für die Frage interessiert, wer eigentlich wie definiert, was verrückt und was normal ist und wie sich solche Dinge im Lauf der Zeit und in verschiedenen Kulturen verändern, der kommt hier garantiert auf seine Kosten. Das Buch habe ich nicht nur einmal komplett mit viel Vergnügen und (Wissens)Gewinn gelesen, dieses Buch werde ich bestimmt auch ein zweites Mal lesen.
Wenn ich denn endlich mit der Lektüre für mein neues Uniseminar durch bin, und das kann wohl noch etwas dauern …