Graf Öderland. Eine Moritat in 12 Bildern hat Max Frisch sein vielfach überarbeitetes, wenig gespieltes Stück in der Fassung von 1961 genannt. 12 Bilder – das klingt nach einem Reigen, einem Kalender, eben einem Ganzen. Was Konstanze Lauterbach in Essen daraus gemacht hat, ist bestenfalls Stückwerk.
Keine Ahnung, was die Regisseurin sich dabei gedacht hat – aber gedacht haben muss sie eine Menge, sonst hätte sie die Schauspieler kaum auf derart gekünstelte, unnatürlich Bewegungsabläufe und Sprechweisen trainieren können. In diesem Stück kann man nicht einfach auftreten – entweder hängt man an der langen Würgeleine (Jan Pröhl als Staatsanwalt/Graf Öderland), schiebt sich zuckend an der Gletscherwand vorbei (Floriane Kleinpaß), die die Bühne nach hinten begrenzt oder springt, hopst, klettert aus der Versenkung davor oder auch dem Loch in der Bühnenmitte heraus. Das hat etwas von bedeutungsschwangerem Tanztheater der schlechteren Art gemixt mit Kasperletheater und erinnert bestenfalls an Monty Pythons Ministry of Silly Walks. Höchst anstrengend und ablenkend für die Darsteller muss das sein, aber dramatisch gesehen bringt es für den Zuschauer rein gar nichts.
Man kann auch nicht einfach miteinander reden in dieser Inszenierung. Man wendet sich voneinander ab, redet frontal nach vorn, aber eben nicht mit dem andern, dem Partner auf der Bühne. Und wenn der Mörder (Jörg Malchow) von Liebe redet, steht er mit dem Rücken zum Publikum, beugt sich aber soweit zurück, dass er fast einen Überschlag machen dürfte, damit wir dennoch sein Gesicht sehen. Wiederum gewiss nicht einfach, aber was gibt es dem Stück, was der Figur?
Allein, darauf scheint es Frau Lauterbach nicht anzukommen. Entweder lässt sie ihre Schauspieler mit Überdruck Emotionen auf Knopfdruck bringen oder zwingt sie unterspannt auf lange, lange Wege, an deren Ende sie dann endlich in einer ausreichend künstlichen Pose sind, um – ja was eigentlich auszudrücken? Was will die Regisseurin uns damit sagen?
Ich bin nicht dahinter gekommen. Wären nicht so gute Darsteller wie Jan Pröhl oder auch Laura Kiehne auf der Bühne, denen man selbst bei so einem Krampf die Könnerschaft ansieht, dann wär ich wahrscheinlich eingeschlafen und erst von der unsinnigen, gebrüllten Chorfassung des "Zauberlehrlings" rechtzeitig zur Pause geweckt worden.
Warum ich danach allerdings wieder reingegangen bin, um mir den Schluss anzuschauen, der auch nicht wirklich etwas zur Sinngebung beiträgt oder gar dafür sorgt, dass ein Ganzes entstünde, tja, das kann ich wohl nur mit Höflichkeit und dem Wunsch, so wenigstens Solidarität mit den sicher noch viel geplagteren Darstellern auf der Bühne zu zeigen, erklären. Die konnten ja auch erst nach dem für eine Premiere nicht gerade üppigen Schlussapplaus weg – und ich kann nur hoffen, sie hatten danach wenigstens eine Premierenfeier, die den Namen verdient.
Ödnis mit Axt
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