Auftragsarbeiten

Was ist wohl eine Deutsche Erstaufführung? Und was hat das mit Holger, Hanna und dem ganzen kranken Rest zu tun, eben Jan Demuths Stück, das gestern in der Casa des Essener Grillo-Theaters in der Inszenierung von Henner Kallmeyer Premiere hatte?

Holger (Jannik Nowak) ist 16, über beide Ohren seines Elefantenkostüms in Hanna (Silvia Weiskopf) verliebt – bloß leider, leider ohne echte Erfolgsaussichten. Ob das nun am Altersunterschied liegt, denn mit 19 ist Peta-Aktivistin und Langstreckenläuferin Hanna doch kein Mädchen mehr, oder an seinem Vater Gerhard (Holger Kunkel), der als sportiver Zahnarzt mit Frauenschuhtick und der Bereitschaft, für Liebe (und Sex) sogar Veganer zu werden, sei dahin gestellt. So richtig geschickt stellt (Fast)Scheidungskind Holger sich nicht an, was er womöglich von seiner esoterisch-verpeilten Mutter Verena (Bettina Schmidt) geerbt haben könnte. Warum all das zum Familientheapeuten führt – nun ja, es ist eben eine Komödie und da werden die Dinge halt komisch überspitzt.
Wo Jan Demuth sich mehr mit Sprüchen aufhält – ganz nach dem ach-so-clever-kreativen Motto, Pubertät sei die Zeit, in der die Eltern schwierig werden – hat’s Regisseur Henner Kallmeyer mit Bildern und Timing. Man könnte fast sagen: Der Autor hat halt eine Auftragsarbeit zum Thema Teenies abgeliefert (so stellt er es selbst ja sogar im Programmheftchen dar), die der Regisseur dann erst so richtig komisch macht. Franziska Gebhardt schafft mit Schrankwand des Grauens plus Aschenbahn samt Stolpersteinen und fahrbarer Straßenlaterne einen wandelbaren Bühnenraum. Silke Rekort steckt die Akteure in knallige Kostüme, die sicher auch Dirk Bach gefallen hätten (alleine Holger Kunkels Blondhaarperücke …) – wenn man mal vom Elefantenkostüm absieht, in dem der pubertierende Holger von Anfang bis Ende feststeckt, sozusagen. Karolin Killig liefert den Sound und Henner Kallmeyer lässt seine Puppen tanzen: Zeitlupenmarathon à la Wetterhäuschen oder auch Kinderkarussel, dazu Straßenlaternentanz mit Elefant, und all die schön-absurden Traumlichtsequenzen, in denen Holger seine Hanna immer wieder fast, aber eben nur fast kriegt. Da hilft nicht einmal mehr der Lichtschwerterkampf im Starwars-Stil … Holger ist eben rettungslos verliebt und Hanna, naja, die scheint eh mehr auf ältere Semester zu stehen.
Das alles ist hübsch anzuschauen und sorgt für eine Menge Lacher. Bloß am Ende bleibt davon leider nicht viel (zumal man über das Ende streiten könnte, vielleicht sogar streiten müsste – ernst gemeint kann das ja wohl nicht sein, aber wäre es nur noch ein Traum Holgers, dann wäre es kein Ende …). Schon beim Rausgehen fühlt es sich ein bisschen an wie ein Abendessen aus Salzburger Nockerl oder Zuckerwatte – man hatte seinen Spaß, ganz sicher, aber satt wird man davon nicht.
Tja, und damit sind wir wieder bei der Eingangsfrage. Eigentlich ist eine Deutsche Erstaufführung die deutschsprachige Erstaufführung eines Stückes, das in einer anderen Originalsprache geschrieben und auch urauffgeführt worden ist. Bei einem Auftragsstück fürs Theater St Gallen wie diesem passt das nur im Wulff’schen oder Guttenbergeschen Sinne: Als Mogelpackung im Rahmen einer verbal(-juristisch)en Grauzone. Schade also, dass ganz offensichtlich Autor und Dramaturgie lieber auf heiße Luft setzen und so womöglich für Regie und Ensemble die nötige Menge Ernst und der rabenschwarze Hintergrund fehlten, die eine richtig erstklassige Komödie nun mal brauchte.
Womit wir bei der nächsten Frage wären: Wer sucht eigentlich an diesem Haus die Stücke aus …?

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