Raumbühne mit Rundumprojektion. Viereckig, quadratisch – logisch-mathematisch, wie man’s gern dem Latein unterstellt? Spielraum ist es allemal, was Andreas Jander, Jana Findeklee und Joki Tewes für die Spielzeiteröffnung im Essener Grillo-Theater mit der in den Saal gerückten Bühne erschaffen. Schade nur, dass was von zwei Seiten vom Publikum zu betrachten ist, so einseitig in seiner Interpretation bleibt: Wieviel auch geschrieen, getobt, gerannt und gebloggt wird, am Ende ist und bleibt Thomas Krupas Coriolanus (Tom Gerber) ein Kriegsheld, ein dünkelhafter Haudegen, dessen Stolz man auch Sturheit und Vorurteil nennen könnte – und die andern, die Masse, ob nun Plebejer oder Patrizier, Volsker oder Coriolanus‘ Familie bleiben die Dummen.
Ich weiß jedenfalls hinterher kaum mehr, als das dürftige Programmheft und mein rudimentäres Vorwissen über dieses wohl nicht ganz zufällig selten gespielte Shakespearestück hergibt.
So gelungen die Projektionen und Videoeinspielungen an sich sein mögen, so schlüssig es ist, den Botenbericht des elisabethanischen Dramas per Handy auf die Bühne zu holen, was all das soll, erschließt sich nicht — bzw. all die Brüche kommen letztlich nicht zusammen: Die Blogger von heute, die Anzugträger von gestern und morgen, die Anspielungen auf den 2. Weltkrieg (Lisa Jopt in der undankbaren Rolle der Virgilia steckt im Kostüme einer Royal Airforce Helferin, wenn’s darum geht, von ihrem Mann Schonung für die Heimatstadt Rom zu erflehen), die 60er und 70er Jahre (Gerhard Hermann als Menenius spielt nicht nur sehr ansehnlich, er gibt auch einen prima Mick-Jagger-Verschnitt und das unplugged), die Endzeitpunkkostüme der Volsker (wobei Laura Kiehne als Aufidius für mich die mit Abstand beste Figur auf der Bühne wie im Video macht), all das ist ganz hübsch anzusehen, allein, was bringt es? Einzelleistungen und einzelne Momente bleiben bestenfalls am Ende übrig – sofern man im Saal, im Parkett, und nicht auf der Bühne saß, denn dort, so versicherte man mir glaubhaft in der Pause, verstehe man höchstens die Hälfte der Dialoge.
Schade. So viel Aufwand – Guckkasten- in Raumbühnen zu verwandeln und retour kostet ebenso Zeit und Arbeit wie die Statisterie in einer einzigen Massenszene auf die Bühne zu holen, und selbst ein wirklich guter Percussionist wie Simon Camatta, der die ganzen dreieinhalb Stunden auf der Bühne ausharrt, schafft es natürlich nicht, der Schreierei und Rennerei, eben der ganzen viel zu druckvollen Einzeldarstellerei zu sowas wie einem einenden Herzschlag zu verhelfen.
Und das wundert mich dann zutiefst. Denn womit immer ich in der letzten Spielzeit haderte, mit dem Schauspielensemble als solchen hatte ich keine Probleme (außer dem fortgesezten Frust, sie nie in einer wirklich gelungenen Inszenierung auf der großen Bühne zu sehen — wenn man mal vom Shockheaded Peter absieht). Bei der Premiere am Samstag blieb’s jedoch seltsamerweise bei Einzeltätern im mangels Inszenierung unter Wert verkauften Spielraum.
P.S.: Und was mich ungemein nervt: Der Pergamonaltar hat nichts, aber auch rein gar nichts mit dem römischen Reich gleich welcher Periode zu tun. Das Ding stand in Kleinasien und gehört bei allen Datierungsungewissheiten allemal in die (spät)griechische Antike.