Gerenne und Geschrei

Was passiert mit einer Stadt, wenn ihr einziger, großer Arbeitgeber wegfällt? Was passiert mit den Menschen einer solchen Stadt, wenn anschließend eben nichts mehr passiert? Diese und andere Fragen stellte sich der polnische Dramatiker Michal Walczak. Gestern brachte Tilman Gersch dessen Stück Das Bergwerk als deutschsprachige Erstaufführung auf die Bühne des Essener Grillotheaters.

Womit wir gleich schon bei einem der unbestreitbar gelungenen Faktoren dieses Abends wären: Was Malersaal und Theaterplastiker aus Henrike Engels Bühnenbild gemacht haben, ist wunderbar anzuschauen – eine Geisterbahn voller skurriler Details, durch die die Menschen in Schlafanzügen wandeln. Das hat was, da gibt es eine Menge zu schauen, und das auf eine Drehbühne zu setzen, um Einblicke ins sperrhölzerne Dahinter zu gewähren, das passt schon.
Ebenfalls gelungen sind sämtlich Chorstücke, die Barbara Morgenstern mit dem Essener Ensemble einstudiert hat sowie überhaupt die Arbeit der Schauspieler – allen voran Tom Gerber als hündchengewordener Lyriker.
Dennoch hab nicht nur ich in den knapp zwei Stunden, die dieser Theaterabend braucht, um vom Warten auf Nichts oder Alles, jedenfalls auf etwas, das von außen kommt und so oder so Erlösung bringt, zig Mal auf die Uhr geschaut. Ob es am Text oder an der Regie lag, mich packte das nicht. All die an sich ja gut beobachteten Wiederholungen, mit denen die Figuren sich ihrer selbst vergewissern ergeben keinen Rhythmus, schaffen keine roten Fäden, sie langweilen nur. Ob es mehr solchen Realismus bedurft hätte oder der, ganz im Gegenteil, noch viel stärker überhöht und ins Absurde gezogen gehört hätte, weiß ich nicht. Aber Pinter auf polnisch kommt für mich nicht mit Beckett auf postsozialistisch zusammen.
Anderen Zuschauern wie Kritikern ging das anders. Die erkannten sich oder anderes wieder und waren begeistert. Aber am Ende entstand aus der höchst unterschiedlich aufgenommenen Inszenierung nicht einmal eine Diskussion. Nun ja, vielleicht kommt das noch. Und so gern ich selbst mal wieder begeistert gewesen wäre – solange es andere sind, gehen vielleicht demnächst auch mal wieder mehr Menschen ins Theater und das wäre immerhin ein Anfang …

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