Hiphop Subhoch

Und  wieder erblickte ein Stück ähm Musik- & Tanz-, jedenfalls ganz sicher nicht Sprechtheater das Bühnenlicht im Essener Schauspielhaus. Critical Mess heißt das Hiphop-Uraufführungswerk, das viel zu viel erklärt und viel zu wenig zeigt.

… aber um etwas von showing vs. telling – zu deutsch: "Zeig’s mir, Erklärungen such ich im Lexikon/bei Wikipedia und nicht auf der Bühne" -zu verstehen oder das auch nur gehört zu haben, hätte es vielleicht eines Autoren oder Dramaturgen bedurft. Diese Position blieb jedoch bei dem Werk, für das zusammen mit Konzeptchoreograph Samir Akika noch sechs weitere Menschen für Inszenierung und/oder Bühnenbild verantwortlich zeichneten, ganz offensichtlich unbesetzt.
Was herauskommt, ist streckenweise hübsch anzuschauendes Tanztheater (man mag es Hiphop nennen, muss man aber nicht, auch im Modern Dance spielt sich bekanntlich eine Menge fallenderweise ab), in dem fast jeder, der die Bühne betritt, gleich noch (s)eine Geschichte erzählt.
Das wiederum gelingt manchem, wie z.B. (Ex)Opernsänger Pablo Bottinelli), anderen wie (Ex)Tänzerin Nora Ronge weniger bis gar nicht. Gut, dass immerhin ein paar vereinzelte Schauspieler – saukomisch bis gelegentlich nachdenklich: Jannik Nowak & Laura Kiehne (die überdies wunderbar singt) – auf der Bühne herumtreiben, sonst wüsste man gar nicht, was das alles auf der Schauspielbühne zu suchen hat.
Okay, das ist ein bisschen gemein. Da kommt die Subkultur die Hochkultur besuchen und niemand scheint’s zu interessieren. Warum auch, wo seit Jahrzehnten jegliche Szene, kaum dass sie sich benennt, gleich erstmal von der Werbung oder sonstwem mit finanziellen oder anderen Interessen vereinnahmt wird? Und wenn man dann noch bedenkt, dass die sogenannte Hochkultur immer mehr von Kürzung und Marginalisierung bedroht ist, scheint die Zwangsfusion von jeglicher Kultur in irgendwelchen Randzonen nahezu unausweichlich.
Aber ich schweife ab. (Schön, kein Kritiker zu sein).
Ich hab so manches über Hiphop gelernt an dem Abend, den anzuschauen allein die tänzerische Leistung von Youngung "Jeakwon" Sebastian Kim für Tanzfans lohnend macht. Gut, dass das alles endet wie ein Standardhandlungsballett, wo nach zwei Akten Handlung viel zu oft ein dritter Akt folgt, in dem alle Beteiligten noch einmal und noch mal und wieder und wieder die Diagonale nutzen dürfen, um ihre Kunststückchen zu zeigen, das hätte ich nicht gebraucht. Das nervt mich ja schon im Ballett selbst.
Aber was ich überhaupt nicht verstehe: An wen richtet sich das Stück? Es landet zwischen den Sub- und Hochstühlen, für die einen dürfte es zu teuer (und/oder zu angepasst, zu sehr voller Kompromisse) sein, während es den anderen zu wenig sagt bzw. sie allein vom Begriff Hiphop geschreckt sein werden.
Schade eigentlich. Und typisch, leider viel zu typisch für das, was zur Zeit auf der großen Bühne im Grillo-Theater passiert: Viel Aufwand für nicht allzu viel Zuschauer …

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