Altersfragen?

Lag mein Problem mit Frank Göhres "St. Pauli Trilogie" am Alter der drei Romane? Und machte umgekehrt das angepeilte, jugendliche Lese(r)alter von Monika Feths "Der Scherbensammler" einen Teil des Lesevergnügens aus? Oder ging’s hier gar um Genre- oder Geschlechterfragen?

Vorab: Eigentlich bin ich ein vehementer Verfechter der Ansicht, dass es nur zwei Arten von Büchern gibt, nämlich gute oder schlechte – und dass ähnliches für ihre Autoren gilt. Ich halte Frauen weder für die  schlechteren Autofahrer noch für die besseren Menschen, und dass die Frage "XX oder XY" beim Schreiben per se oder vielmehr qua Biologie eine Rolle spielt, scheint schlichter Blödsinn.
Dennoch – es gibt einen bestimmten Umgang mit gewissen Themen, wo ich den stummen Ausruf "Junge, deine Probleme möchte ich haben!" nicht unterdrücken kann. Geht mir mit Thomas Manns gestelzter Sprache zwecks Auseinandersetzung mit großbürgerlichen Themen der aussterbenden bis ausgestorbenen Art so und ist bei Hemingways sprachlich zwangsverknappten Jagd-Krieg-Hochseefischerei-Kram auch nicht anders. Brauch ich beides nicht, kann ich beides nicht ernst nehmen – mich erreichen die so bearbeiteten Themen nicht und die Sprache geht mir auf den Geist. Von Hemingway mag ich eigentlich nur eine einzige "Erzählung", von der ich nicht mal sicher weiß, ob sie tatsächlich von ihm ist. "For Sale: Baby Shoes, Never Worn" soll seine Antwort auf die Aufforderung, eine Sechs-Wort-Geschichte zu schreiben, gewesen sein, und die ist (in meinen Augen) kaum zu toppen.
Frank Göhres "St Pauli Trilogie" ist ein bisschen wie jeder beliebige andere Hemingway gemixt mit Thomas Mann: Zu viele Personen, zu viele Manierismen einerseits und andererseits die geballte Machotour. Die Kerle allesamt cool, ob nun gebrochener Anti-(Bullen)-Held oder Kiezgröße, alle sind irgendwie Helden auf ihre Art – bloß, ich steh nun mal weder auf Zuhälter noch auf Miami-Vice-Bullen in Hamburg. Und seine Frauenfiguren wirken allesamt wie literarische Pin-Up-Girls. In Kurzgeschichten und vielleicht auch noch längeren Erzählungen mag das gewürzt mit einem etwas eigenartigen Kriminalistentrio angehen, aber über drei Romane hinweg, die sich allesamt nur mit irgendwelchen "Kriegen" auf dem Kiez befassen, ist das überflüssig bis unerträglich.
Seltsam, wie wenig Einfühlungsvermögen Göhre in seine Figuren hat, wo er doch in seinen literarischen Auseinandersetzungen mit Friedrich Glauser beinahe als dessen Alter Ego rüberkam …
Monika Feth hat es damit leichter, und das ist insofern erstaunlich, als sie sich in "Der Scherbensammler", einem Thriller für jugendliche Leser, mit multiplen Persönlichkeiten auseinandersetzt. Das gelingt ihr überraschend gut; da habe ich schon in so manchem Werk für Erwachsene sehr viel gröbere und unsinnigere Verkürzungen respektive langatmige, spannungsraubende Erklärungen der überflüssigen Art gefunden. In Feths Geschichte fügen sich die Dinge sinnvoll zusammen, allein an einem Punkt blieb ich wieder und wieder hängen: ihrer Erzählperspektive nämlich.
Einerseits ist diese genretypisch; sie erzählt aus etwa einem halben Dutzend personaler Perspektiven in der dritten Person, so dass man als Leser stets mittendrin ist, aber auch reizvolle Widersprüche zwischen den Beschränkungen des Wissensstandes der jeweiligen Erzählfiguren entstehen. Andererseits gestattet Monika Feth sich respektive ihrer jugendlichen Haupt- und Serienfigur Jette eine Ich-Perspektive, was einen eigentümlichen Bruch darstellt. Und an der Stelle frag ich mich, wieso ich das bei einem "Erwachsenenbuch" nicht akzeptiert hätte, es in diesem Jugendthriller aber bereit bin, in Kauf zu nehmen: Müssten nicht gleiche Standards für alle gelten, ob jung oder alt, männlich oder weiblich, kurzum, müsste es nicht stets nur um die Frage gut oder schlecht gehen?
Theoretisch vielleicht. Praktisch jedoch – was ist schon schwarz-weiß im realen Leben, wo außerhalb der Computerwelt reicht das Binäre zur Beschreibung von (so ziemlich) allem? Ergo: Feths Buch hat mich gepackt, berührt und war spannend zu lesen. Also war’s gut, Bruch hin oder her. Göhres Trilogie dagegen war trotz allen Lobes und der Verfilmungen, trotz wunderbarer Lesevorerfahrungen mit seinen Glauser-Büchern am Ende mühsam bis ärgerlich. Und ob das nun ’ne Alters- oder Geschlechterfrage oder sonstwas war, wen kümmert das schon …

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