Programm XXIX – No. 29 von 30, also Schläpfers vorletzte Arbeit in und für Mainz hab ich am Wochenende als Höhepunkt eines wunderbaren Wellnesswochenendes (das war ein Weihnachtsgeschenk, auf das es sich zu warten lohnte) genossen. Allerdings: Der Abend der Extreme, den das Programmheft versprach, war es nicht.
Dafür hab ich mal wieder festgestellt, dass mir Schwanensee absolut nicht liegt; nicht einmal in der eingedampften, reduziert-modernisierten Fassung von Balanchines Choreographie "Tchaikovskys Pas de deux." Aufstellen, in Pose werfen, pausieren, Paartanz, bei dem er kaum mehr zu tun hat, als sie in ihren Posen zu halten, vorzuführen – nee, das brauche ich nicht. Gewiss, das Ballett ist im Ursprung höfisch und damit höchst formal. Aber das muss ich nicht haben.
Da war der "Tarantella Pas de deux", ebenfalls in der Choreographie von Balanchine, schon ansehenswerter …. bis ganz plötzlich die erste Pause über uns hereinbrach. Nach 20 Minuten war die moderne Klassik Mr. Bs eben vorbei – sozusagen ein Appetithäppchen, ein Auftakt, nicht mehr …
Der zweite Teil bestand aus Schläpfers Uraufführung mit dem schlichten Titel "Sinfonien", die Wilhelm Killmayer komponierte. Höchst moderne Musik, äußerst spartanische Bühne, Gassen eben, Licht und Bewegung – zum Teil ungemein verlangsamte, fast zeitlupenhafte Bewegungen – bestimmen den Raum. Vier Paare, Harmonie der Symmetrie herrscht, bis mit dem 5. Herren die simple Balance der geraden Zahl fällt. Der Schluss dann erfrischend, spritzig — im Wortsinn.
Der dritte Teil war zugleich der längste und vermutlich auch tänzerisch anspruchsvollste. Regina van Berkels Uraufführung "Memory of a Shape" hätte ich gern mehrmals gesehen, denn hier ist es aus mit Langsamkeit und Sparsamkeit der Bewegungen, und die Symmetrie ist keine Frage des Gleichklangs, des Raumes, sondern der Zeit – geht es doch um Wiederholung und Variation, um die Komplexität der Fraktale. Schön auch der Einfall, mithilfe geometrischer, fraktale Strukturen nachahmender "Hänger" – Tiffany in Milchglas, sozusagen -, die vom Schnürboden wie von Geisterhand gesteuert wurden, unsichtbare Aufsichts- und Abgangsmöglichkeiten zu schaffen und so zugleich den Eindruck von Kontinuität entstehen zu lassen. Das glatte Gegenteil der abgehakten, klassischen Posen des Anfangs …
Schon schade für die Mainzer, dass dies Schläpfers vorletzte Arbeit für sie ist. Aber schön für die Düsseldorfer und vielleicht auch für mich, wenn er demnächst die Rheinoper bereichert … ich hoffe, er nimmt seine brillanten Tänzer mit, denn von diesem Ensemble will ich mehr sehen!