"Truth is stranger than fiction." Ist das eigentlich ein Zitat und wenn ja, von wem stammt es? Oder ist es schlicht eine dieser seltsamen Wahrheiten, die zugleich banal sind? Okay, es ist auch der Titel eines meiner (älteren) Bilder und zugleich, zumindest in Teilen der Titel eines Films von Marc Forster, in dem Emma Thompson eine Autorin mit Schreibblockade spielt.
Ein wunderbarer Film, vor allem für Autorinnen, die zugleich Erzählforscherinnen sind und obendrein über "Erzählperspektive im Film" (inkl. Meta-Perspektiven) promoviert haben – doch das nur am Rande. Denn wer den Film noch nicht kennt, sollte sich den lieber selbst ansehen, das muss ich nicht nacherzählen oder vorsingen (das schon gar nicht).
Spannend fand ich, wie sich in diesem Film Ideen aus der Erzählforschung mit solchen aus der Schreibpraxis verbinden. Dass man tötet, was man liebt, ist eine alte (Drehbuch)Autorenweisheit. Das tut weh, das kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung versichern, es macht aber Sinn. Denn was bringt es, auf Papier oder Zelluloid irgendwen zu meucheln – mit irgendwelchen Leichen lockt man niemand hinterm Ofen vor. Das muss schon Teil einer Geschichte sein, Sie – also Sie, die Zuschauer oder Leser – müssen eine Beziehung zu der toten Person haben, sonst ist sie belanglos, nur noch ein (Krimi)Rätsel, aber es berührt nicht. Blöderweise ist man als Autor mithin geradezu gezwungen, eine Figur erst zu schaffen, sich mit ihr auseinanderzusetzen, sie verstehen, schätzen und womöglich sogar lieben zu lernen, um sie dann umzubringen. Da kommt einem schon gelegentlich die Frage in den Sinn, wie das wohl für echte Profikiller ist …
Emma Thompson als Autorin Kay Eiffel möchte das nicht mehr, sie will nicht ihre Figuren nicht mehr töten, selbst wenn ihr neuestes Buch dann nur noch "gut, recht gut" und eben kein Meisterwerk mehr ist.
Ob dieser "Prädikatsverlust" allein darauf zurückzuführen ist, dass sie ihren Helden nicht umbringt …? Möglicherweise hat das ja mehr mit der Idee zu tun, dass erst das Ende einer Erzählung selbige mit Bedeutung und Sinn auflädt – und dass das Ende einer Erzählung mit dem Tod in der Realität zu vergleichen ist? Erst wenn etwas abgeschlossen ist, einen Endpunkt gefunden hat, kann man von diesem Punkt aus rückblickend das Ganze sehen und verstehen – so ungefähr lässt sich die Grundthese hinter "A sense of an ending" zusammenfassen.
Da ist was dran. Nur: Ist jedes Ende bedeutungsvoll? Ist jede Bedeutung erzählenswert? Kann man jeden Menschen, ob pure Fiktion oder reales Geschöpf, zum Helden einer Geschichte machen, sei sie nun tragisch-tödlich oder komisch-vorläufig? Ist es von Bedeutung, ob man Autor und damit Schöpfer ist oder Figur, eben Schöpfung oder ist man womöglich stets beides?
Fragen über Fragen … was sicher nur davon kommt, dass ich heute nicht am Roman geschrieben habe, sondern den Weihnachtsbaum geschmückt habe, während nach zig Anläufen endlich mal wieder ein Backup von meinem Rechner auf DVD(s) lief. Ich glaub, insofern können wir mit Sicherheit eines sagen: Es dürfte im Sinne aller sein, wenn ich morgen wieder am Roman weiterarbeite … 😉
Stranger than Fiction
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