Hab heute Peter James‘ Stirb schön zuende gelesen. Spannende Lektüre, gut gebauter Plot, okay, das ja. Aber alles in allem hat es – immerhin ein Buch über Snuff-Filme und damit eine der wierlichsten Kombinationen von Gewalt, Kommerz & Voyeurismus – mich erstaunlich kalt gelassen. Ist das eine weitere Frage der Perspektive?
Jein. Die wechselnden personalen Perspektiven, die so häufig bei Krimis und Thrillern zum Einsatz kommen, sollten an sich nicht distanzierter oder distanzierender als z.B. ein Ich-Erzähler oder auch mehrere von der Sorte sein. "Er" oder "ich" ist gewiss auch ein gewisser Unterschied in der Haltung zwischen Autor und Figur einerseits und bestimmt von daher möglicherweise auch die Beziehung zwischen Leser und Figur leicht verschieden. Klar, als ich "Notausgang Bochum Krümmede", meine Geschichte für Mord am Hellweg III schrieb, hab ich mich ganz bewusst für die Erzählung in der dritten Person entschieden. Anders hätt ich diese Geschichte aus dem Kopf eines (sterbenden) Kinderfickers heraus nicht schreiben können. Das wäre entschieden zu nah gewesen für den Kurzkrimi, mit dem ich zugleich auf die Frage, warum ich nicht aus Sicht dieser Art Täter, antwortete. Trotzdem war mir beim Schreiben der Geschichte durchweg kotzübel (kein Witz). Und auch von Lesern bekam ich öfter die Rückmeldung, dass diese Story schockierend nah war, wie ein Faustschlag in den Bauch, hieß es sogar. Und wie oft weiß ich bei Büchern – z.B. bei denen von Maeve Carels oder auch bei Andrew Vachss – hinterher nicht mehr, war’s personal erzählt oder gab’s einen Ich-Erzähler, aber an den kalten Schauer, das Erschrecken, das Wiedererkennen und was der Gefühle mehr ein Kunstwerk auszulösen vermag (also so ziemlich alle ;-)) kann ich mich erinnern …
Sprich: "Er" oder "ich" kann’s nicht allein sein. Berührend oder nicht hängt nicht an grammatikalisch-sprachlichen Fragen, sondern – meiner höchst subjektiven Meinung nach – an der Haltung des Autoren zur Figur. Es heißt immer wieder, man könne nur über das schreiben, was man kennt. Da ist was dran. Aber ich bin zutiefst überzeugt, dass man nur aus einer Persepktive heraus schreiben kann, auf die man sich wirklich einzulassen vermag. Bzw. man sollte wenigstens wissen, wie weit man dabei gehen kann … siehe meine "Schreib-Übelkeit".
Ich jedenfalls verlange auch von einem Krimi mehr als die oberflächliche Spannung eines gutgebauten Plots. Ich lese, um in fremde Welten einzutauchen, gesehen durch die Augen eines anderen. Und vor allem lese ich, um berührt zu werden.
Schade, dass diese Form der Spannung allzu oft enttäuscht wird …
Hautnah dran?
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