Die Anreise war suboptimal: Die Automaten im Essener Bahnhof mochten meine Bahncard nicht. Dann kam nur der halbe Zug und war mithin doppelt so voll. Auf dem Rückweg war der Zug komplett, bloß leider 45 Minuten zu spät. Aber alles dazwischen, vor allem die Lesung zum 30. Geburtstag des Notrufs für vergewaltigte Frauen in Köln, war die Reise mehr als wert.
Ein kleiner, aber feiner Buchladen in Köln-Ehrenfeld, der sich passenderweise „der andere Buchladen“ nennt, stellte den Rahmen für die nahezu ausverkaufte Lesung aus Stimmengewirr. Dazu der Anlass – eben die Aktion 30+ zu Ehren des Jubiläums des Kölner Notrufs und damit vor allem seiner so wichtigen (ehrenamtlichen) Arbeit – und die wunderbare Betreuung durch die Mitarbeiterinnen, allein das zeigte schon, dass es alles andere als eine „Wald- und Wiesen-Standard-Lesung“ werden würde.
Gut, als aufmerksam kenne ich mein Publikum des öfteren. Inzwischen aber bildet sich beim Stimmengewirr auch eine Tendenz zu spannenden Gesprächen im Anschluss an die eigentliche Lesung heraus. Das klappt nicht immer. Und auch gestern abend sah es in den ersten Sekunden nach dem Applaus so aus, als sollte sich endlos ausdehnende Stille die Antwort auf die Frage nach den Publikumsfragen sein. Weit gefehlt, es kamen viele Fragen und auch die, die bei diesem Buch stets im Raum steht, doch bei weitem nicht immer gestellt wird: Wie kommt man auf und in so ein Thema als Autor hinein …
Gestern in Köln passte es, ganz offen zu sein. Und das war ein gutes Gefühl, sowohl aus der Profi-Autorensicht als auch im Hinblick auf das Thema Multiple Persönlichkeiten. Wär schön, so etwas ginge öfter. Ich glaub, ich muss mich mal wieder gezielter umsehen nach entsprechenden Gruppen und Organisationen, um dort lesen, Workshops zu machen, in Kontakt zu treten. Also, falls hier jemand mitliest, der irgendwie aus dem Zusammenhang der Arbeit mit/von/für Gewaltüberlebenden stammt oder die etwas mit Multiplen Persönlichkeiten zu tun haben, wie wär’s mit einer Mail an mich? Könnte spannend werden. Für alle Beteiligten. Eben so spannend und zugleich offen wie gestern abend in Köln …
Reise mit Hindernissen
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Liebe Mischa,
ich war die junge Frau die gestern in diesem wunderschönen Buchladen die erste Frage gestellt hat und die Dein Buch schon über die Hälfte vom gestrigen Abend bis heute gelesen hat. Ich habe eine Schwester die selbst Multiple ist und die ich nicht jeden Tag aber sehr viele Tage jede Stunde die ich habe begleite. Ich liebe es wenn die kleine Leonie mich nachts wach macht und in mein Bettchen kommt mit meine Haaren spielt wegen mich Engelchen nennt und ich den großen nicht erraten darf das sie mich geweckt hat. Oder Finja die versucht erwachsen zu werden und ihre Träume hat. Die Geschichte aus dem Buch mit dem Frühstück kommt mir so bekannt vor. Ich habe noch nie in meinem Leben jemanden getroffen der multiple ist und so ist wie du. meine schwester hat leider sehr viel leid erfahren und hat erst vor sechs jahren mich an sie ran gelassen und zugegeben das sie multiple ist. Desshalb habe ich auch bewußt die Frage gestellt ob Ihr der Lüge bezichtigt wurden seid. Denn das ist das was man meiner Rasselbande immer nach gesagt hat. Ich habe selbst heraus gefunden das dies zu einfach ist und das weit aus mehr dahinter steckt und so habe ich viele Tage vor dem Rechner gesessen und Forums besucht. Es tat sehr gut zu sehen das du auch das wort system nicht benutzt und auch nicht von einer Host sprachst denn ich mag diese wörter nicht ich liebe alle meine Geschwister und Leonie ist fast wie meine kleine Tochter es ist ein wundervolles Gefühl eine solche Rasselbande zu kennen und zu lieben. Deine Signatur stimmt ich habe viele Fragen die ich gerne stellen würde und hoffe es irgendwann zu können.
Dem Notruf Köln danke ich für die Möglichkeit Dein Buch gefunden zu haben.
Ich hoffe es war nciht alzu lang aber ich wollte dies los werden.
Vielen dank nocheinmal für die Vorlesung gestern.
Ganz Liebe Grüße
Tanja
Liebe Tanja,
vielen Dank für den ausführlichen Kommentar und das Lob. *verbeug* „System“ klingt für mich zu technisch, zu ordentlich, um die Gesamtstruktur eines multiplen Haufens zu beschreiben … und Host, liebe Güte, das ist doch keine Party, wo der Gastgeber am Ende die Gäste hinausgeleitet und dann allein die Gläser spült! Hab noch nie verstanden, wie es zu solchen Begrifflichkeiten kam … aber wahrscheinlich ticken Therapeuten & Psychologen ganz anders als Schriftsteller. 😉
Grüß Leonie und Finja und die andern, falls sie was damit anfangen können (also was von der Lesung wissen), vielfältige Grüße
Mischa
Hallo Mischa,
der Krimi liegt nach an unserem Nachtisch, leider noch nicht ganz ausgelesen *schäm*
War es nicht eigentlich ganz nützlich, daß der Zug Verspätung hatte in Köln? Hatte schon Sorgen, es sei zu spät um noch zu erreichen.
Die Lesung war mal ein ganz anderer Zugang zum Thema mutiple Persönlichkeiten. Im Buch wird deutlich, auch bei der Lesung, daß Multisein nicht eine einfache Ansammlung von Symptomen geht, die äußerlich sichtbar sind, sondern was innen abgehen kann.
Und den Ausdruck System mag uns auch gar nicht gefallen, schließlich stecken wir in einem Körper und nicht in einem Computer.
Liebe Grüße, Monika
Liebe Monika,
den Fehlerteufel hab ich hoffentlich zufriedenstellen vertrieben. Ansonsten kann ich nur sagen: Ihr lest in Eurem Tempo, da gibt’s nix zu entschuldigen, weil nix entschuldigt werden muss. Die Bahn hätte sich mal entschuldigen sollen. Wir waren auf den Punkt am Bahnhof und konnten so jede Verspätungsminute genießen … 😉
Grüße und so
Mischa