Sommerzeit, Ferienzeit – von wegen! Sommerzeit, Baustellenzeit, das trifft es schon eher, denn gerade wird nicht nur im Nachbarhaus gleich hinter meinem Rücken gestemmt, gebohrt, gehämmert und anderweitig gelärmt, sondern draußen, auf den Straßen rund ums Haus herum scheint’s auch nichts zu geben als aufgerissene und gesperrte Straßen, Umleitungsschilder und Staus. Bis vor einer Woche hielt ich all das für den größten, akuten Unbill. Dann explodierte mein Terminkalender. Und das, wo ich gerade noch gedacht hatte, in diesem Jahr hätte ich es hinbekommen, mir die Ferienzeit einigermaßen freizuschaufeln …
… das mit den Terminen und dem Urlaub ist an sich schon ein veritables Problem, das wohl die meisten Freiberufler kennen: wie bringt man alle Projekte und Aufträge in zig verschiedenen Stadien an einen Punkt, an dem sie zwei, drei Wochen ruhen können? Wie bekommt man es hin, sich selbst einen Freiraum zu schaffen, ohne dass danach wahlweise eine wahre Arbeitslawine auf einen zurollt oder aber sich Kunden, Klienten und Auftraggeber anderweitig umtun und einen nichts erwartet als erschreckende, gähnende Leere, wenn man wieder an den Schreibtisch zurückkehrt? Skylla und Charbidis sind harmlos gegen die Ängste einer fantasiebegabten Freiberuflerin, will mir scheinen.
Jedenfalls, in diesem Jahr sah es bis vor kurzem danach aus, als könnte es gelingen, mein Freiberuflerdasein mit den sechswöchigen Theaterferien meines Herzensmenschen gut zu synchronisieren und nicht nur gerade mal die Zeit für den Urlaub selbst freizuschaufeln. Okay, hier im Blog ist der Zeitmangel schon spürbar, aber auch der hätte sich mit der Urlaubszeit ja relativiert beziehungsweise in Wohlgefallen aufgelöst, dachte ich. Wäre da nicht die Sache mit meinem dicken Auge gewesen …
In den vergangenen zweieinhalb Monaten hatte ich fünf verschiedene Ärzte teils gezielt deswegen aufgesucht, teils in anderen Zusammenhängen darauf angesprochen – stets verbunden mit dem Hinweis, dass bei mir letzten Dezember Morbus Basedow festgestellt wurde. Einen Zusammenhang sah jedoch keiner von ihnen. Man verschrieb mir Salben (eine gleich aus zwei verschiedenen Fachrichtungen), empfahl Atemübungen (geschwollene Augen haben in der chinesischen Medizin etwas mit der „Atemkraft“ zu tun, heißt es), vermutete Allergien, obwohl es da erst recht unwahrscheinlich schien, dass nur ein Auge betroffen war, und ließ sich auch nicht davon beirren, dass Antiallergika rein gar keine Wirkung zeigten. Ich war soweit, das Ganze als kosmetisches Problem und Alterserscheinung abzutun und mich darauf einzustimmen, dass ich mich daran nun gewöhnen müsste. Ich meine, man muss ja nicht dauernd in den Spiegel schauen.
Aber es nagte halte doch, nicht zu wissen, was dahintersteckte. Und als ich endlich meinen eigentlichen Augenarzt erreichte, nahm ich den Termin vor dem Urlaub dankbar an – dachte jedoch, er würde nun derjenige sein, der mir erklärte, dass ich eben zu den Menschen gehöre, bei denen sich das Augenlid entsprechend verändert, etc. pp.
Weit gefehlt. Ich lernte, wenn man das Weiße über der Iris sehen kann, ist dies eine Art Lackmustest, ein Killerkriterium für die Endokrine Orbitopathie. Ist bei mir zwar alles noch im Anfangsstadium, heißt es, aber da diese Begleiterscheinung des Basedow nichts rein Kosmetisches ist, sondern unbehandelt gravierende Folgen haben kann, lernte ich auch, dass es Notfallüberweisungen gibt und fand mich unversehens in der Schule des Sehens in der Uniklinik wieder. Wurde auch dort gründlichst untersucht, vermessen, fotografiert, nochmals zu den Endokrinologen geschickt, für ein PET/MRT angemeldet, in eine Studie aufgenommen, und war mit Cortisonstoßtherapie, Lymphdrainage und diversen Kontrollen schlagartig um ca. 17 Termine reicher.
Tja, und so explodierte mein Terminkalender, während im Hof die wunderbare Trauerweise implodierte. Doch das ist eine ganz andere Geschichte, und ich habe jetzt leider den nächsten Termin, also entschuldigt mich bitte …