Leben im Halbdunkel

Ich weiß, es gibt Menschen, die laufen bei 30 Grad Außentemperatur erst so richtig zu Hochtouren auf – oder lieben Sommer, Sonne, Hitze zumindest dann, wenn sie am Strand brutzeln können. Für mich ist das alles nichts. Meinetwegen brauchte es keine Außentemperaturen jenseits der 25 Grad Celsius zu geben – und auf die „Erfindung“ der hitzebedingten Migräne hätte mein Körper erst recht verzichten können.

Ironischerweise bedeuten diese für mich mehr oder minder genau das Leben im Halbdunkel, das gerüchtehalber Migräniker im Akutzustand ohnehin vorziehen. Normalerweise nehme ich meine Migränemedikamente, lege mich danach vielleicht sogar eine halbe Stunde hin, wenn ich es nicht vergesse, wenn es denn gerade passt, und dann geht das Leben weiter. Mühsamer und langsamer, weil sich für mich die Nebenwirkungen der Triptane nun mal so anfühlen, als sei ich unter Wasser und zwar unter schwerem Wasser, was jede physische Bewegung und oft auch jede geistige Regung um ein Vielfaches schwerer macht als sonst. Aber bei 70 oder mehr Tagen mit Migräne pro Jahr kann ich gar nicht anders; ich bin nicht bereit, einen so großen Teil meiner Lebenszeit einer Erkrankung zu opfern. Wenn ich nun mal mit meiner Migräne leben muss, wird meiner Migräne auch nichts anders übrig bleiben, als mit mir zu leben.

Aber zurück zum aktuellen Phänomen der Hitzemigräne. Dieses Exemplar tauchte freundlicherweise erst irgenwann in den frühen Morgenstunden am Sonntag auf; am Samstag während meines Uniseminars war davon noch keine Rede, was allein schon deshalb vorteilhaft war, weil manche Migränen bei mir mit allerlei Sprachstörungen einhergehen – und das ist bei Autorinnen und Literaturdozentinnen schon fast geschäftsschädigend und mir gelegentlich peinlich (vor allem, weil ich das selbst oft als Letzte mitbekomme). Jedenfalls, um die Hitze so weit wie möglich aus unserer Dachwohnung rasuzuhalten, verdunkeln wir Fenster und achten darauf, sie tunlichst nur zu öffnen, wenn es draußen nicht mehr wärmer als drinnen ist. Und plötzlich findet das Leben im Halbdunkel statt – einem Halbdunkel, das an die Siesta südlicher Gefilde erinnert, das nach Sommer riecht (wenn es nicht gerade arg stickig wird …).

Dass das Halbdunkel vermutlich auch dem Migränekopf gut tut, ist eher Zufall bzw. etwas, das mir erst vorhin bewusst wurde. Wie gesagt, auch die geistige Aktivität scheint bei Migräne verlangsamt, und wenn ich gerade keine Migräne habe, pflege ich nicht über sie nachzudenken, sie nimmt sich ja auch so schon genug Zeit und Raum. Nun aber mäandern meine Gedanken fröhlich vor sich hin – was gewiss auch damit zu tun hat, dass momentan die Medikamente wirken und das Wummern, Bohren und Brummen über meinem rechten Auge aufgehört hat. So, wie es eben ist, wenn die Triptane arbeiten. Das Problem bei den Hitzemigränen ist jedoch, dass dann die Medikamente anders verstoffwechselt werden: es dauert meist länger, bis eine Dosis anschlägt, und selbst wenn sie wirkt, wirkt sie kürzer und nicht durchgehend. Im Prinzip ist die Migräne also nur mehr oder weniger gedämpft und dauert dafür dann gern mal mehrere Tage.

Mehrere Tage, die ich hitzebedingt eben im Halbdunkel lebe, was im Übrigen auch ein gutes, alternatives Bild zum Migränenebel ist: dieses seltsame, wattige Gefühl, dieses eigenartige Zeug, was sich zwischen mich und meine Gedanken schiebt, immer wieder, und immer wieder aufs Neue weggeschoben werden muss, wenn ich mein Hirn auch in diesen Zeiten gebrauchen möchte.

Jetzt beginnt das Wummern wieder. Vielleicht sollte ich mich doch noch ein paar Minuten hinlegen, bevor ich in die Stadt humple, zum Orthopäden, um herauszufinden, warum ich eigentlich humple. Was auch ganz schön blöd ist und mir in meinem bräsigen Migränehirn gerade sehr unfair vorkommt: reicht es nicht, wenn der Kopf schmerzt, muss sich dann auch noch ein Fuß unkooperativ erweisen?!

Körper … man hat echt nichts als Ärger mit ihnen. Aber ohne ist halt auch blöd. 😉

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