Nein, ich meine damit weder die Übelkeit noch die Lichtempfindlichkeit, die so viele Menschen (auch solche ohne eigene Migränerfahrungen) damit verbinden mögen. Sondern ein angeschlagenes Ellbogengelenk und, ganz akut, einen knöchernen Kapselabriss am linken Sprunggelenk. Denn wenn man eine Migräne mit sogenannter „komplexer Aura“ hat, dann erlebt man immer mal wieder unliebsame Überraschungen.
Der letzte Sonntag. Weltfrauentag. Erster wirklich frühlingshafter Tag auch hier im Ruhrgebiet. Wir machen einen Spaziergang, genießen die Sonne, die Natur, plaudern. Es könnte nicht schöner sein. Bis sich die Dinge für eine Millisekunde verschieben, eigentlich viel zu schnell und zu kurz, um etwas zu bemerken. Es fühlt sich ein bisschen an wie ins Leere zu treten, als täte sich unter meinem linken Fuß der Boden auf. Aber bevor ich diese Empfindung registrieren kann, hat mich mein Herzallerliebster im Straucheln aufgefangen.
Der Fuß tut danach erstaunlich weh. Früher habe ich/haben wir so etwas überhaupt nicht wahrgenommen, da fiel ein verstauchtes Gelenk höchstens daran auf, dass der Schuh nicht mehr zuging. Das Überwinden von Dissoziation im Alltag und das Erreichen von mehr Nähe zum Körper wird gelegentlich mächtig überschätzt, schießt ein Gedanke mit dem Schmerz und der Übelkeit hoch. Nach ein paar Schritten, gestützt auf den Arm unseren wunderbaren Lebensbegleiters, wird das erträglicher. Aber weder das wackelige Gefühl noch die Übelkeit verschwindet und auch der Schmerz zieht sich lediglich in den Hintergrund zurück.
Mühsam humpeln wir nach Hause (Murphy’s Laws brav befolgend waren wir in dem Moment noch anderthalb Kilometer entfernt). Zuhause kühlen wir den Fuß, stundenlang, und bandagieren ihn. Wird schon werden, sagen wir uns, normalerweise heilt dieser Körper ja recht schnell – muss er wahrscheinlich auch, der Arme, ist er doch mit multiplen Persönlichkeiten als Bewohnern geschlagen, die nach wie vor häufig nicht ausreichend auf die Bedürfnisse ihrer Hülle achten.
Am nächsten Morgen ist der Fuß dick. Kein Wunder. Und die Migräne ist da. Was immerhin den Vorfall vom Vortag eindeutig klärt: das war keine dissoziative Schusseligkeit, das war mal wieder eine Migräneaura der speziellen Art. Für das Gehirn verschwindet vorübergehend ein Körperteil von der inneren Landkarte. Was früher ausschließlich im Verlauf der Migräne selbst auftauchte und sich da noch in schlagartig eingeschlafenen Nasenrücken, Oberlippen, Knieen und dergleichen ungefährlichen Abstrusitäten äußerte, erwischte uns zum ersten Mal 2006 in der Auraphase. Also bevor überhaupt klar war, da ist eine Migräne im Entstehen, denn die Aura bestand im Ausfall des rechten Armes. Ungünstigerweise exakt in dem Moment, als der einen prall mit Lebensmitteln gefüllten Rucksack auf den Rücken werfen wollte. So verdrehte das Rucksackgewicht den Ellbogen einmal komplett und überdehnte bei der Gelegenheit sämtliche Bänder.
Einige Jahre später war es der linke Fuß gleich zwei Mal hintereinander innerhalb von 24 Stunden. Was ziemlich unheimlich war, zumal dem keine Schmerzattacke folgte, also erst nach einer Reihe sehr sehr gründlich neurologischer und anderer Untersuchung inklusive CT vom Gehirn und Dopplersonar der Halsschlagadern die Diagnose feststand. Seit dem weiß ich, dass ich inzwischen auch Migräneattacken habe, die rein aus Auren bestehen – ganz gleich, ob die als Sehstörung ode Aphasien oder eben als „Ausfälle der inneren Landkarte“ daherkommen.
Leider ist es bloß diesmal nicht ganz so glimpflich verlaufen, denn der Fuß lief am Dienstag teils blau an. Also blieb nur noch der Humpelgang zum Arzt. Und da kam dann heraus, es ist ein knöcherner Kapselabriss. 🙁
Die Migräne verschwand nach ein paar Tagen. Die Luftpolsterschiene muss dagegen ganze 6 Wochen am Fuß bleiben … da sag noch mal einer was davon, dass Migränen „bloß fiesere Kopfschmerzen“ sind. ;-(
Ich wünsche gute Besserung!