So ließe sich Striking Distance, der Titel einer meiner Kurzgeschichten, die zuletzt in der Anthologie „KrimiKommunale 3„, hrsg. von Alexander Pfeiffer, im Kommunal- und Schulbuchverlag erschien, zusammenfassen. Was es damit auf sich hat und warum das nichts für Menschen mit schwachem oder geschwächtem Magen ist, zeigt sich in der folgenden Leseprobe:
Striking Distance
von Mischa Bach
Dunkelheit, schwer, dumpf, erdrückend. Und zugleich süß, so süß wie türkischer Mokka, verführerisch wie Sirenengesang. Er muss dagegen ankämpfen, darf sich nicht verlieren – muss aufstehen – sich bewegen – irgendwie – ankämpfen, auch wenn er nicht weiß, wogegen. Plötzlich ist da ein Schatten und aus dem Schatten kommt ein Lichtstrahl, der seine Augen scharf und stechend wie ein Henkersschwert trifft. Er will die Augen schützen, vor dem Licht, und vor dem Schatten dahinter – ein Mensch? Ein Geist? Ein Monster? – fliehen. Es gelingt ihm, aufzuspringen, doch nicht weg von dem Licht, sondern auf den Schatten dahinter zu. Ein Schlag, Schmerz – eine Art Ringen – ein weiterer Schlag und dann Nichts. Sind es Sekunden oder Jahre? Es fühlt sich an wie ewig, bevor da wieder die Dunkelheit ist, schwer, dumpf und doch süß wie schwarzer Honig, und der Kampf, der Kreislauf beginnt erneut.
Husten, heftiges Husten, gefolgt von Würgen und eklig-galligem Geruch, ein Geschmack wie der Tod. Das war das erste. Dann der Gedanke, dass etwas nicht stimmte, ganz gewaltig nicht stimmte: Wenn er tot war, wie konnte er dann fühlen, dass sein Gesicht in etwas Widerlich-Feuchtem lag? Und was war das Schwere, das auf ihn drückte? Das sollte nicht da sein. Nichts sollte mehr da sein, vor allem er selbst nicht.
Vorsichtig schlug Bandit die Augen auf – es war dunkel, aber nicht so dunkel wie in seinem Traum. Nicht so dunkel, wie es hätte sein sollen. Irgendwo hinter seinem Kopf musste es eine kleine Lichtquelle geben, denn er konnte die versiffte Unterseite seines Waschbeckens ebenso sehen wie die bräunliche Lache direkt vor seinem Gesicht, deren Geruch ihn erneut würgen ließ.
Reflexartig stemmte er sich auf Hände und Knie hoch, und verschluckte sich fast an dem, was sein Magen an Säure und Galle herauszuschleudern versuchte. Mit der Bewegung fiel das Gewicht, das ihn im Traum wie im Erwachen niedergedrückt hatte, buchstäblich von ihm ab und lag nun in Form von S. direkt unter dem Waschbecken vor ihm. Die weit aufgerissenen, starren Pupillen ließen keinen Zweifel – S. war dort, wo Bandit hingewollt hatte: im Reich der Toten.
Er brauchte eine Weile, um dies als Realität und nicht als weiteren Traum oder Alptraum zu begreifen. Kein Wunder, eigentlich hätten die Tabletten ihm ewigen Schlaf schenken sollen, vermutlich lagen noch zwei Drittel seines verrückten Hirns im Koma. Aber dennoch war er bereits zu wach, zu lebendig, um nicht zu wissen, dass er handeln musste. Er musste – nein, halt: Zuerst musste er nachdenken, den Überblick kriegen. Nur wie? Koks wäre jetzt genau richtig, aber er hatte keins mehr. Wozu auch, schließlich hatte er sich umbringen wollen. Also Kaffee … Bandit griff nach der Taschenlampe, die neben ihm am Boden lag – die große Maglite, die er S. vor ein paar Wochen geschenkt hatte. Sich mühsam erst am Rand der Badewanne, dann am Waschbecken hochziehend, stand er auf. Vorsichtig stieg er über das Bündel schwarzer Kleidung, das den verhüllte, der einmal sein Freund gewesen war.
Ganz untypisch für S., dachte es in seinem halbbetäubten Hirn, während Bandit in der Küche mit der Kaffeemaschine hantierte. S. hatte sogar bei ihrer ersten Begegnung im Landeskrankenhaus seinen grauen, überaus korrekten Anzug getragen. Dass er in schwarzer Einbrecherkluft auf seinem versifften Badezimmerboden enden würde, darauf wäre Bandit damals nie gekommen. […]
… und falls Sie das Ganze nachlesen wollen, hier der Link zum Buch bei einer meiner Lieblingsbuchhandlungen in Essen – Proust.