Eingeladen

Heute war ich eingeladen – von den Frauen vom Literaturkreis Benrath, um das „Stimmengewirr“ näher zu beleuchten. Heute hab ich eingeladen – nämlich die Frauen vom Literaturkreis in die inneren Welten einer multiplen Persönlichkeit.

Das war schön. Und verwirrend war es auch, vermutlich für beide Seiten … Klar bleiben auch nach der Lektüre meines mehr als 300 Seiten starken Romans noch Fragen zum Thema multiple Persönlichkeiten offen. Immerhin ist das ein wenig bekanntes, aber höchst komplexes Thema – und es geht um schmerzliche Dinge, schwierige Dinge, über die man sonst eher nicht spricht und auch nicht nachdenkt. Obendrein ist mein Buch ein Kriminalroman und kein Sachbuch. Dennoch hat’s mich unheimlich gefreut, als die Anfrage von den Benrather Damen kam. Denn neben allem anderen sehe ich im Stimmengewirr auch so etwas wie meinen Beitrag zur Aufklärung in Sachen Multis.
Wir haben viel geredet, es gab viele Fragen und ich habe hoffentlich auch Antworten geben können. Aber ob ich wirklich vermitteln konnte, wie es in einem multiplen System aussieht? Ob ich klarmachen konnte, wie es sich anfühlt, Teil eines solchen Kollektivs zu sein? Die meisten Menschen, die nicht mulitpel sind, scheinen beinahe fixiert auf die Vorstellung von einem bewussten Ich; vermutlich gehen sie eben von ihrem eigenen Empfinden, ihrer Selbst- und Weltwahrnehmung aus. Da gibt es ein Ich, das sind sie selbst, und sich vorzustellen, dass das bei multiplen Menschen anders ist, uff, das ist nicht leicht. Und ich find’s ebenfalls nicht leicht zu verdeutlichen, dass es bei Multiplen eben nicht ein Ich gibt, das (bewusst oder unbewusst) die anderen erschaffen, herbeigerufen hat. Vielmehr entstehen die verschiedenen Persönlichkeiten, die verschiedenen Ichs dort, wo sonst Das Eine Ich entstanden wäre. Es braucht keine Hierachie zwischen den verschiedenen Persönlichkeiten und kein Ich ist realer, echter, wirklicher als die anderen — genau das macht Multiple aus. Aber diese Vorstellung nichtmultiplen Menschen so zu vermitteln, dass sie sich in diese hineinversetzen können … manchmal glaub ich, 300 Seiten Roman zu schreiben ist einfacher. 😉
Obwohl, das ist es nicht. Das Geheimnis liegt darin, dass ich an dem Punkt noch so offen und bemüht erklären und erzählen kann, mein Gegenüber so offen und bemüht fragen und zuhören kann – aber wir können uns doch nur austauschen, Worte, Sätze benutzen, um Gedanken zu formulieren, Bilder zu transportieren. Wann und wie es „klick“ macht, aus den Worten und Infos plötzlich eine eigene Vorstellung wird, das hat keiner von uns 100%ig in der Hand.
Ich weiß nicht, ob mir das heute Abend gelungen ist oder so eine „aha!“-Vorstellung noch im Nachgang passieren wird. Aber es war so oder so ein schöner Abend und eine schöne Einladung. Und schließlich liegt der Reiz von Einladungen doch darin, dass man darf und kann, aber nicht muss oder soll …

Dieser Beitrag wurde unter Stimmengewirr abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert